Interview Herr Rieck (29. November 2016)

Felicia N.: Also Sie haben früher Bukarest als „Paris des Osten“ bezeichnet. Ich wollte nur sagen, das hat uns mal eine Rumänischlehrerin gesagt: Noch ein Grund, warum Bukarest „Paris des Ostens“ genannt werden kann, ist, dass nach dem 1. Weltkrieg dann so ein großer französischer Einfluss nach Rumänien kam, nicht nur Mode und Architektur, aber einfach die Denkweise und die Sprache. Das führt mich zu meiner Frage: Welche Unterschiede haben Sie eigentlich zwischen Rumänen und Deutschen hier bemerkt? Insbesondere meine ich damit die Schüler.
Holger Rieck: Bei Schülern eigentlich gar keine. Was mir hier sehr gefallt, ist der Geist der Spezialabteilung. Es ist mein Interesse, das zu erhalten. Ihr seid schon etwas ganz Spezielles in der Spezialabteilung. Ich habe selten Schüler erlebt, wo eigentlich vieles da ist, zwar nicht ganz in Ordnung. Also ich habe gestern der 9-Klassler gesagt: „Eure Köpfe sehen aus wie Rumpelkammern, ihr speichert immer etwas ab, und ich muss das immer hervorkitzeln“. Insofern bin ich also begeistert. Was mir am Anfang den Atem beraubt hat, ist wie gut man hier Deutsch redet. Das mag zwar im Spiegel eines Deutschlehrers, ein bisschen anders aussehen, aber ich wurde schon mal jeden Deutschlehrer für ein halbes Jahr nach Cali (Kolumbien) mitnehmen, damit derjenige dort eine Deutschstunde hält. Ich glaube, der ist dann nicht weit vom Herzinfarkt entfernt. Wenn man hierher kommt, ist es komplett anders. Ihr macht tatsächlich manchmal kleine Ausdrucksfehler, aber ihr seid immer noch Schüler und habt das Recht, Fehler zu machen. Mit diesem Recht auf Fehler, natürlich ist die Rolle des Lehrers euch in diesem Fall undurchsichtig, aber wenn ihr den Lehrer begreift als Begleiter, und nicht als Pauker, dann schon viel gewollt damit. Entscheidend ist, und da unterscheiden sich eigentlich Schüler aus Rumänien nicht von Schülern aus Deutschland und auch nicht von Schülern aus Lateinamerika, der Umgang miteinander. Ich kann natürlich aus einem Siebtklässler keinen Erwachsenen machen, das geht ja nicht, aber ich kann von einem Zwölftklässler schon erwarten, dass er mit viel Übersicht… erwachsen ist.