Interview mit Frau Mann

D.R.: Sie sind halt eine „untypische“ Lehrerin, weil Sie Deutsch-Französisch studiert haben und nicht Deutsch-Geschichte, wie wir Schüler das hier gewohnt sind, zu hören.

S.M.: Ja, dann bin ich halt untypisch, aber ich mag trotzdem mein zweites Fach, ich liebe Französisch.

D.R.: Was ist Ihr französischer Lieblingsspruch?

S.M.: Auf jeden Fall nicht „L’état c’est moi“. „La vie est belle” vielleicht, weil das Leben wirklich schön ist. So viel man auch im Laufe eines langen Lebens erlebt, damit meine ich auch die negativen, traurigen Dinge, finde ich, dieser Spruch trifft doch immer wieder zu. Das Leben ist unberechenbar und hält Gutes und weniger Gutes für uns bereit. Ohne das Negative könnte man das Schöne nicht so würdigen. Jeder von uns muss lernen, dass man sich von den negativen Dingen nicht so sehr nach unten ziehen lassen darf. Und dass man ein schönes Lächeln immer bereithalten sollte. So was wie der Frühling, der kommt ganz automatisch. Ja, an so etwas kann ich mich zum Beispiel erfreuen.

D.R.: Was halten Sie von Picassos Spruch „Je ne cherche pas, je trouve”? Was haben Sie bis jetzt gefunden, ohne dass Sie darauf gehofft hätten?

S.M.: Meinen Mann, die Kinder… Einfache Dinge, die mich im Täglichen so erfreuen: Ein Lächeln unverhofft; das finde ich sehr schön, wenn einen im Alltag jemand anlächelt; das passiert hier leider viel zu wenig!

D.R.: Ich muss diese Frage unbedingt stellen. Sie waren 20 Jahre alt, als die Mauer gefallen war. Hofften Sie noch auf ein vereinigtes Deutschland? Was hatten Sie damals empfunden?

S.M.: Ich fand es unglaublich. Die Grenze war nicht weit von Lübeck entfernt, da gibt es den Ratzeburger See, der immer wieder für Anekdoten gesorgt hat. Auf der anderen Seite des Sees war nämlich schon die Grenze, das heißt, dort patrouillierten immer die Grenzsoldaten der DDR, sodass, wenn ein Segler sich mal verirrt hatte oder aus Versehen die Wende nicht rechtzeitig geschafft hatte, er dort ins Gefängnis kam und gegen teure Devisen ausgelöst wurde. Er durfte praktisch nur dann in die BRD zurück, wenn seine Verwandten entsprechend viel Geld gezahlt haben, damals die DM (Das lief alles noch glimpflich ab!! Es gab auch ganz andere Geschichten, wie wir alle wissen!!). Diese Geschichten haben mich immer berührt und ich wollte unbedingt die Grenze am Ratzeburger See sehen. Die Brücke war ab der Hälfte geteilt in West- und Ost-Deutschland und die Grenzsoldaten der DDR patrouillierten auf ihrer Seite der Brücke. Es war absurd. Man konnte ihnen winken, eine Reaktion ihrerseits gab es nie. Vor diesem Hintergrund gab es auf einmal diese Öffnung und auch wenn ich keine direkten Verwandten in der DDR hatte, so war es trotzdem einfach Wahnsinn, dass etwas passieren konnte, woran niemand geglaubt hatte.